12.08.
Heute ließen wir uns nach dem Fruehstueck extra viel Zeit um uns einmal ganz gemuetlich fertig zu machen. Unser Plan fuer heute war es, zur Burg Regestein und anschließend nach Wernigerode zu fahren, auf dem Weg dorthin aber in Thale stehen zu bleiben um den Hexentanzplatz zu besuchen und mit der dortigen Sommerrodelbahn zu fahren. Aber es ist ja so im Leben; erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.
Wir kamen unterwegs in Elend vorbei, bei der kleinsten Holzkirche Deutschlands. Ich wurde aber sehr schnell von deren Einzigartigkeit abgelenkt, als Papa mich mit einem Blick auf den danebenstehenden Baum fragte: „Kannst du da raufklettern?“ – na klar konnte ich das – und schon war ich oben. Und egal was ich tu, egal wo ich hinauf kletter, es ist ganz logisch, dass Papa das dann auch tun muss. Mit seiner Schulter stellt sich das leider oft als schwierig heraus. Oma schuettelt dann immer den Kopf ueber ihre beiden Kinder mit denen sie unterwegs ist.
Unser weiterer Weg wurde abermals unterbrochen als wir links von uns in der Ferne einen riesigen Felsen sahen und meine Augen ganz groß wurden. Ich wollte schon etwas sagen, als Oma meinte: „Ich glaube das ist der Ottofelsen, da kann man mit einer Leiter hinaufklettern.“ – Ich hoerte nur klettern, Papa hoerte meine Gedanken, und schon standen wir am naechsten Parkplatz. Es war aber nicht der Ottofelsen, sondern ein Stueck der Teufelsmauer.
Vor Urzeiten, als Gott und Teufel die Erde unter sich aufteilten, wurde zwischen beiden vereinbart, daß dem Teufel all das Land gehören sollte, welches er in einer Nacht bis zum ersten Hahnenschrei mit einer Mauer umbauen konnte.
In jener Nacht, als der Teufel sein Bauwerk begann, war nun aber eine alte Frau aus Timmenrode unterwegs, die auf dem Markt einen Hahn verkaufen wollte. In der Dunkelheit stolperte sie, und der Hahn erschrak sich dabei und begann zu krähen. Der Teufel hörte dies und dachte, daß seine Zeit schon um sei und riss vor lauter Wut die Teufelsmauer wieder ein. Die Reste sind bis auf den heutigen Tag stehen geblieben.
Die Felsformationen aus Sandstein ziehen sich etwa 20km lang durchs Land und sind wirklich atemberaubend schoen anzusehen. Aber was rede ich von ansehen, wenn ich vor einer großen Felsformation stehe, dann geht nur ein Gedanke durch meinen Kopf, meine Beine bewegen sich wie von selbst darauf zu und alles was zaehlt ist: „Ich…muss…DA…rauf!!!“. Und schwupps war ich am Weg, so schnell konnte niemand schauen. Ich ignorierte diverse „da hinten geht ein Weg rauf“-Rufe und freute mich ueber den griffigen Sandstein, in dem sich ueber die Jahre schon diverse Furchen fuer die Finger zum Anhalten gebildet hatten. Ein Paradies fuer mich, und ich brauchte mich nicht umzudrehen um zu wissen, dass Papa mir dicht auf den Fersen war. Ich ließ keinen Umweg aus, um ja nicht den ’normalen‘ Weg (im Felsen waren schon richtige Stufen eingekerbt) gehen zu muessen, aber kurz kreuzten sich doch die Wege. Papa machte wie immer seine dramatischen Anstalten, von wegen er koenne nicht, er traue sich nicht, er habe Angst, als eine Frau erstaunt meinte: „Ihr solltet doch wissen wie das geht“ (nachdem man uns ja durchaus anhoert, dass wir aus Oesterreich kommen) und fragte, warum wir denn nach Deutschland klettern kaemen, in Wien haetten wir doch auch Berge. Klar – den Leopoldsberg, den Kahlenberg,… Wahrlich das, was ich einen Berg nenne. 😉 Aber das wurden wir schon oefters gefragt. Klar – warum bevorzugen wir ein Mittelgebirge, in dem der hoechste Berg knapp ueber 1000m hoch ist, wo wir unsere 3000er haben. Aber Landschaften sind ueberall anders, Kultur ist ueberall anders, und Tradition ist ueberall anders. Der Harz aehnelt der Steiermark, aber andererseits auch wieder nicht.
Zurueck zu unserem Abenteuer, ganz oben am hoechsten Punkt der Felsformation angekommen, wuenschte ich, ich haette eine Picknickdecke und ein gutes Buch mit dabei. Da oben traute sich niemand mehr hinauf, es war ruhig, die Aussicht war grandios und die Spitze war so ausgehoehlt, dass sich im Laufe der Jahre ein natuerlicher Balkon gebildet hatte. Papa lag inzwischen auf einem Plateau knapp unter mir und genoss die Ruhe. Irgendwann blickten wir hinunter und sahen, wie auch Oma sich langsam den Weg hinaufbahnte. Eine mutige Frau! Papa gesellte sich dann noch zu mir und von dort sahen wir hinunter zu einer Hoehle. An der Seite der Hoehle ging ziemlich senkrecht (so sah es aus, war aber dann eh etwas waagrecht) eine glatte Wand hinauf, vereinzelte Tritte fuehrten dort entlang, damit man sie hinauf klettern konnte. Wir beschlossen einstimmig, dass uns dies zu gefaehrlich aussah, zumal es metertief hinunter ging und außerdem sah der Ausgangspunkt dieser Wand wie ein großer Fußabdruck aus. Wenn man der Sage glauben schenkt, koennte man meinen, dass der Teufel wuetend mit dem Fuß dort den Boden flach gestampft hat, und dann in seinem Fußabdruck die Wand raufklettern? Naja – ihr kennt mich mittlerweile ein wenig, ihr wisst wohin das fuehrt: Letztendlich konnte ich mich nicht zurueckhalten, und schwupps war ich in der Felswand und auch schon oben. Papa blieb ausnahmsweise einmal bei seinem Vorsatz und verließ nach einem kurzen Aufstiegsversuch dann doch den Fußabdruck durch den normalen Ausgang der Hoehle. Ich konnte mich nur schwer von diesem wunderbaren Kletterfelsen trennen, aber es stand ja doch noch einiges am Plan.
Die Teufelsmauer
Hinterm Blankenburger Schlosse
lagert ostwärts Stein an Stein,
aufgetürmte Felskolosseragen in das Land hinein.Wuchtig streben Ihre Häupter
in die abendliche Luft,
um die laubbegrenzten Sockel
zieht der Sträucher Blütenduft.Massig ist das Felsgebilde
nachtgrau schimmert sein Gewand.
Ähnlich einer Riesenmauer,
die nach Satanas benannt.Dohlen kreisen um die Klippen
gellend tönt der Falken Schrei.
aus des Sautrogs tiefsten Gründen
schwebt ein grauer Spuk herbei:Legt sich auf die Felsenkette,
auf die abendliche Pracht,
bis geheimnisvolles Dunkel
Alles hüllt in tiefe Nacht.[Von einer Postkarte vom Schöning Verlag]
In Thale angekommen wollten wir am liebsten gleich wieder umdrehen – und ganz ehrlich, verpasst haetten wir auch dann nichts. Es wimmelte von Touristen, es war eine reine Erlebniswelt, mit riesem Klettergarten (die Leute standen auf den Plattformen an um weiter klettern zu koennen), diversen Vergnuegungspark-Attraktionen und Kinderspielplatz, Mini-Golfplatz und soweiter. Es waren viel zu viele Leute und vor allem Jugendgruppen und der Parkplatz war gestopft voll. Aber nachdem wir schon einmal da waren, und der Hexentanzplatz ja eine Harzer Sehenswuerdigkeit ist, fuhren wir mit einer Seilbahn mit Glasboden hinauf. Die Fahrt war kurz und oben angekommen wurde es nicht besser. Wir gingen erst einmal in die Richtung, wo nicht alle hinstroemten, und kamen zur Sommerrodelbahn. Diese versprach 1000m Rodelspaß mit 4 Spruengen – es war aber kurz und langsam und gesprungen ist bei mir jedenfalls nichts! Na gut, vielleicht war sie lustig, aber nach der 2,7km Rodelbahn in Lienz (Osttirol) waren meine Erwartungen einfach hochgeschraubt. Danach ging es wieder hinunter, um den Hexentanzplatz zu suchen. Ich bemerkte ihn erst, als ich schon zweimal daran vorbei gegangen war. Inmitten von diversen Souvenir- und Imbissstandln (fuer die Deutschen LeserInnen: Buden) und umkreist von einer riesen Menschenmenge und Kindern die auf diversen Fabelwesen-Figuren herumturnten befand sich ein kleiner Steinkreis. Das war’s. Dafuer hatten wir die Strapazen auf uns genommen. Dennoch tanzte ich obligatorischerweise eine Runde am Platz herum – Frau weiß ja nie! Um wenigstens noch irgendetwas zu erleben, gingen wir zur Aussichtsplattform und sahen wehmuetig hinueber auf die Roßtrappe, bei deren Aussichtsplateau sich vergleichsweise wenige Menschen ansammelten. Fazit: Thale ist vielleicht fuer Familien mit Kindern etwas, aber fuer WandertouristInnen, die ihre Ruhe haben wollen gilt: Finger weg.
Den Rest des Planes verwarfen wir wieder, als wir einen Blick auf Omas Unterarm wagten. Die Schuerfwunde schwoll extrem an, man konnte ihr foermlich dabei zusehen, wie sie dicker und roeter (unser derzeitiges Diskussionsthema bei Tisch: wird etwas roter oder roeter oder kann rot ueberhaupt mehr als nur rot sein?) wurde, die Wunde eiterte und sah wirklich nicht gut aus. Papa erzaehlte schon Gruselgeschichten von jemandem, dem das Bein fast abgenommen werden musste wegen einer Schuerfwunde, und ich beschloss, dass wir Oma sofort zum Arzt bringen mussten. Wir fuhren also nach Braunlage und fanden nach einigem Suchen einen Arzt, der seine Praxis noch einmal fuer uns oeffnete. Er meinte, er haette fast taeglich Leute mit solchen Verletzungen vom Monster-Rollerfahren, aber noch nie habe er eine Dame ihren Alters deswegen behandelt. Jaja – meine Raseroma! Danach bekam sie noch zur Belohnung ihrer Tapferkeit einen „Schierker Feuerstein“-Schnaps.